Blau

Blau
Blau wie ein Veilchen am blauen Montag

 

Blaue Augen, Himmelsstern,
lieben und poussieren gern.

 
Blau ist die Farbe des Unendlichen, des Himmels und des Ozeans. Blau ist so differenziert wie der blaue Himmel und kann uns deswegen in unsere Emotionen führen. Blau zieht nach innen, wie die blaue Blume, das Symbol der Romantik, zeigt. Blau ist Weiblichkeit. Es weist auf das ewig Beständige. So zeigte sich Gott, als er den Bund mit seinem Volk geschlossen hat, auf Saphirplatten auf dem Berg Sinai stehend. Das erinnert an Zeus, der im Kampf zwischen Himmel und Erde mit beiden Füßen fest auf dem blauen Azur stand.

Die alchemistischen Vorstellungen des 14. Jahrhunderts kennen eine blaue Flüssigkeit, die tincturaoder das aqua permanens, die wie die Seele und der Himmel unzerstörbar sind. Es handelt sich um das heilige Wasser, ich würde sagen: um das geläuterte Gefühl. In der Terminologie C.G. Jungs steht die tinctura für die Anima.

Blau ist das Unerwartete, das Unbewusste, das Geheimnis. Das zeigt sich bei Ausdrücken wie „ins Blaue hinein“, „die Fahrt ins Blaue“ und im Englischen „out of the blue“. Blau ist so geheimnisvoll, dass selbst die Etymologie des Worts nicht endgültig geklärt ist.

Blaue Gegenstände wechseln häufig ihren Farbcharakter, wie die blauen Augen, der blaue Himmel, das blaue Meer, blutunterlaufende Körperstellen und das Blau der Flamme.
Nachtszenen in Schwarz-Weiß-Stummfilmen wurden am Tag gedreht. Die Kopien färbte man später blau ein, womit das beste Ergebnis erzielt wurde.
Die Dunkelheit wirkt im Blau. Sie lädt ein, sich zurückzuziehen und bietet dazu einen Raum an.

 

Symbolik

Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen ins Unendliche, weckt in ihm Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem.

Wassily Kandinsky

 

Das Farbwort „Blau“ bezeichnet ein erstaunliches Farbspektrum, größer als bei jeder anderen Farbe: vom hellen Blau als Farbe von Eis und Wasser bis zum dunklen Blau der Nacht. Blau besitzt eine große Farbreichweite. Es ist sowohl dem Schwarz und der Finsternis als auch dem Weiß und dem Lichten verwandt. Es kann dem Hellen und Dunkeln zugleich als wesensgleich angesehen werden. Es ist der Nacht und der Luft des lichten Tages zu eigen. So gesehen ist Blau weniger eine Farbe als ein Zustand des Lichts. Deswegen kennen viele indogermanische Sprachen kein Farbwort für Blau.

Blau steht für Tradition. Es ist die Farbe der konservativen Parteien. Blau symbolisiert Treue und Beständigkeit. In der Kleidung soll es Besonnenheit, Nüchternheit und Zurückhaltung zeigen. Darum sind die Uniformen von Militär und Polizei häufig blau. Presbyterianer werden wegen der blauen Kleidung ihrer Pfarrer blueskins genannt.

Blau ist die Farbe der Einbildungskraft, sowohl der Fantasie als auch der Illusion. Blau vernebelt und das besonders die blauen Jungs, die bei ihrem Landgang oft blau sind und blau machen.
Mögen diese Assoziationen zu Blau weitere Ideen zu dieser geheimnisvollen Farbe in Ihnen auslösen.

Schwarz

Das jenseitige Schwarz
(bilingual blogpost about WHITE, BLACK, GREY, zweisprachiger Blogartikel zu SCHWARZ, WEISS, GRAU > click here)

Von weiblicher Finsternis und männlichem Licht

Ist Schwarz überhaupt eine Farbe?
Für van Gogh war es eine Farbe wie jede andere. Die Impressionisten dagegen lehnten Schwarz als Farbe ab, da es Abwesenheit von Licht sei und in der Natur in reiner Form nicht vorkomme.
Schwarz gehört nicht zu den Lieblingsfarben der Mitteleuropäer. Gerade sieben Prozent bezeichnen es als ihre Lieblingsfarbe. Landläufig wird diese Farbe also abgelehnt. Das war nicht immer so. Erst mit dem Aufkommen der Lichtreligionen – besonders mit der Zarathustras in Persien – wird das Schwarze dämonisiert. Warum? Weil sich mit den Lichtreligionen das Patriarchat durchsetzt, das seinen Gott oben in der Sonne fand. Das Männliche schaut himmelwärts. Sein Ideal ist der Geist. Es ist typisch für patriarchale Religionen, dass das männliche Licht phallisch und erkennend zugleich in das Schwarz der weiblichen Finsternis eindringt. In diesem Denken wird Erkenntnis als Helligkeit erlebt. Die vom weiblichen Geist geprägten Religionen schauten stets nach unten auf die Erde. In den Ländern der Anfänge unserer Kultur wie Mesopotamien und Ägypten brachte die Erde als schwarzer Flussschlamm Fruchtbarkeit und Leben. Alles Leben wächst in der Dunkelheit heran. Deswegen war Schwarz die Farbe des Weiblichen und des neuen Lebens.
Schwarz ist auch die Farbe des Chaos (da man in der Finsternis nichts unterscheiden kann – dort herrscht tohuwabohu, wie in der Bibel das wüste Chaos der Finsternis bezeichnet wird), von dem das I Ging sagt, dass es die Mutter aller Dinge ist.
Dem Weiblichen ist die schwarze Nacht zugeordnet, dem Männlichen der Tag. Damit wird das Schwarze zugleich mit dem passiven Hingebungsvollen assoziiert. Das Schwarze ist aber auch das verschlingende Weibliche, das Unbewusste und das Geheimnis, vor dem das Männliche sich ängstigt und es daher dämonisiert. Schwarz ist die weibliche Anderswelt, in der Männliches sich fürchtet, zu versinken und sich aufzulösen. Es ist das Unbestimmte und Sanfte, das dem aggressiven Licht gleißend entgegensteht. Es ist das bergende Dunkel.
In weiblicher Geste umfasst Schwarz alles. In ihm ist die Ganzheit aller Flächenfarben präsent. Bei der subtraktiven Mischung mischen sich alle Farben zu Schwarz (da allerdings die Pigmente meist nicht eine absolute Farbreinheit besitzen, mischen sie sich in der Realität zu einem Braunton).

Der schwarze Tod

Als William Turners Freund und Künstlerkollege Sir David Wilkie 1841 starb, malte Turner eines seiner berühmtesten Bilder „Frieden, Bestattung zur See.“ In diesem Bild hätte Turner, wie er es selbst bekannte, gern ein Schwarz verwandt, das noch schwärzer ist als das schwärzeste Schwarz. Mit diesem Schwarz wollte Turner seine Trauer ausdrücken.
Schwarz ist die Farbe des Todes: Die Trauerkleidung ist schwarz wie tote Zähne und verfaultes Fleisch der Pesttoten. Rudolf Steiner sieht im Schwarz das Lebensfremde. Schwarz ist die Nacht, die Zeit, in der das Licht gestorben ist. Es ist der Urzustand, die Zeit vor dem Licht.
Zudem wird der Tod mit geschlossenen Augen verbunden. So verwundert es nicht, dass bei den Babyloniern, Phöniziern und Griechen die Unterwelt schwarz oder dunkelgrau gedacht wurde. Doch dieser Raum besitzt einen Funken Licht, denn dort leben die Schatten. Das Schwarz wird erst lebendig, wenn es vom Licht berührt wird. Schwarz wirkt am besten im Kontrast zum Weiß – was die Popart ausgiebig nutzte.
Die schwarze Szene liebt es finster: Gruftis, SMler, Anarchisten, Leder- und Latexfetischisten drücken mit Schwarz Ihren Flirt mit dem Tod aus. Auch die SS und spanischen Faschisten trugen Schwarz – allerdings ist es ebenfalls die Symbolfarbe der Anarchisten. Schwarz wird als Farbe der Macht und des Todes präsentiert. Mit Macht und Tod sind wir bei der Gottesvorstellung: Gott als autoritärer Herrscher über Leben und Tod.

Weltanschauungen

Schwarz ist eine abstrakte Farbe wie alle unbunten Farben. Für Piet Mondrian und die niederländische Künstlergruppe de Stijl ist Schwarz wie Weiß: Ausdruck des leeren Raums. Jasper Johns und Roy Lichtenstein benutzen Schwarz als Grenze. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass es sich als Farbe für abstrakte Ideen und Religionen anbietet – zumal die Religion dem Geheimnis und Unbewussten verbunden ist. Schwarz tritt uns im weltanschaulichen Bereich als heilige und somit autoritäre und absolute Farbe entgegen. Sie ist die archetypische Farbe für das Geheimnis, mit dem die mystischen Bewegungen innerhalb der Religionen ringen.

Ägyptisch
Mnevis, der von den Ägyptern in Heliopolis verehrte schwarze Stier, galt als die Verkörperung des Sonnengottes Re. Zunächst fällt auf, dass Schwarz in diesem Fall der Sonne verbunden ist. Die Sonne ist schwarz als Geheimnis allen Lebens, als Ursprung unseres Kosmos. Hier wird die Kraft der Ausstrahlung der Farbe Schwarz betont, die uns heute bei der Betrachtung der Black Box der modernen Physik wieder begegnet (Emissionstheorie Planks, 1900)

Islamisch/sufisch
„Stirb bevor Du stirbst“ heißt es bei den Sufis. Man wird aufgefordert, sein Ego sterben zu lassen und der Welt eine Absage zu erteilen. Diese Haltung drückt sich in der schwarzen Farbe der Gewänder islamischer Geistlicher und Mystiker aus. Sie sagt: „Die Welt ist tot für mich.“ Die islamischen Geistlichen und Mystiker tragen in Schwarz ihre Abgewandtheit von der Welt zur Schau. Allerdings gibt es noch eine tiefere Ebene dieser Symbolik: Als Erfassung der reinen Essenz – d.h. die selige Auflösung in Gott – gilt das schwarze Licht. Die Erfahrung dieses Lichts gilt als Ziel eines gottgefälligen Lebens und der mystischen Suche.

Christlich/jüdisch
Schwarz ist die Farbe reformierter Geistlichkeit. Luther trug einen schwarzen Talar, womit die auf das Wort beruhende Intellektualität ausgedrückt werden sollte. Schwarz ist Ordensfarbe und Lieblingsfarbe des Outfits der Kirchgänger. Bereits die orthodoxen Juden und Rabbiner pflegen sich in schwarzer Kleidung zu zeigen.
Im patriarchalisch geprägten Christentum ist Schwarz eine Farbe des Weiblichen. Maria wurde grundsätzlich am Samstag, dem Tag des schwarzen Saturn speziell verehrt. Maria Magdalena wurde als die schwarze Geliebte Jesu bezeichnet. Ferner spielen in der katholischen Kirche die schwarzen, wundertätigen Madonnen wie die von Einsiedeln, Tongeren und Tschenstochau eine wesentliche Rolle. 1277 wurde vom Papst angeordnet, diese weiß zu streichen. Begründung: Das Schwarz käme durch den Ruß der Kerzen zustande und würde die Marienbilder entehren. Die Wunder hörten auf. Die weiße Farbe wurde entfernt oder die Madonnen wieder schwarz umgestrichen, die Kirchenkassen wurden von den Pilgern wieder gefüllt.
Die schwarzen Madonnen gehen auf heidnische Vorbilder wie Isis, Kybele und Diana zurück. Die schwarze Isis war besonders verbreitet und einflussreich. Sie bot das Modell für die Madonna mit Kind.
Schwarze Madonnen finden sich in unseren Breiten hauptsächlich im Gebiet der Maas, ein Gebiet, von dem aus die Merowinger herrschten, die Anhänger der Isis waren.
Für die christliche Kirche war Schwarz jedoch auch die Symbolfarbe des Bösen und wurde somit zur klassischen Farbe des Teufels. Die Dämonisierung der Farbe Schwarz verstärkte sich mit der Verbreitung des Lilith-Kults durch spanische Kabbalisten im 13. Jh. Lilith, die erste Frau, ist die schwarze Göttin der Kabbalisten – sie ist die Frau, die es ablehnt, sich dem Mann zu unterwerfen.

Im christlich beeinflussten Kult des Vodoo spielt wie in allen zaubrisch-mystischen Kulten die Farbe Schwarz eine wichtige Rolle. Normalerweise trägt die Vodoo-Priesterin in Westafrika Weiß, werden jedoch besonders mächtige Energien angerufen, greift sie zum schwarzen Gewandt. Sie wird so zum Geheimnis und zur mächtigen Lenkerin der Energien.

Hinduistisch
Die Hindus verehren eine wilde weibliche Gottheit, die stets mit schwarzem Körper dargestellt wird. Es ist Kali, eine Verkörperung des verschlingenden und gebärenden Weiblichen. Sie ist die fruchtbare und furchtbare Mutter zugleich. Ihre tödliche Seite wird mit der Farbe Schwarz genauso verdeutlicht, wie ihre Weiblichkeit. Aber Kali ist nicht nur die Schwarze, sie wird stets mit roten Accessoires dargestellt, die ihre Lebenskraft betonen. Diese Verbindung von Schwarz mit Rot finden wir häufig als Symbolfarbe des Dämonischen. Sie ist konventionell bei Teufelsbildern und Bildern von fragwürdigen Frauen. In feministischen Kreisen wird diese Farbkombination als Farben der großen Göttin auf Voll- und Neumond bezogen.

Buddhistisch
Buddhistische Thankas (Rollbilder) mit schwarzem Hintergrund gehören zu den mystisch-esoterischen Meditationsbildern. Sie sind für den fortgeschrittenen Meditierenden geeignet. Im Buddhismus symbolisiert Schwarz die Farbe des Hasses, der durch die Weisheit in „die Vollkommenheit der letzten Wirklichkeit“ verwandelt wird. Schwarz kündet vom Bevorstehen des Absoluten, es ist die Schwelle der Erfahrbarkeit und des Todes. Es geht bei der Meditation auf schwarze Thankas um die Überwindung alles Bösen.
Yamantaka, die archetypische Gottheit der Gelugpas, der Überwinder des Todes, wird schwarz dargestellt. Er repräsentiert sowohl höchste Weisheit, als auch den Triumph über das Leiden. Er haftet nicht mehr an. Er gilt als machtvoller Beschützer. Die Beschützer Mahakala und Pälden Lamo (die weibliche Schutzgottheit Lhasas und des Dalai Lama) werden ebenfalls schwarz dargestellt, denn Schwarz steht für die letzte Realität, die Leerheit und somit für die Meditation.

Weiss

Weiss
(bilingual blogpost about WHITE, BLACK, GREY, zweisprachiger Blogartikel zu SCHWARZ, WEISS, GRAU > click here)

Die Farbe zwischen Unschuld und Wollust

Weiß als abstrakte Farbe
Weiß ist Farbe des Lichts, der Reinheit, des Ideals und somit des Abstrakten.
Nach Goethes Farbenlehre stellt Weiß die Trübe dar, durch die das Auge des Beobachters auf Licht und Finsternis schaut, um so die Regenbogenfarben zu erblicken. Weiß steht über den Farben, es stellt eine Metafarbe dar. Das zeigt sich darin, dass sich alle Lichtfarben zu weiß mischen.
Das Abstrakte der Farbe Weiß zeigt sich ferner an der geringen Farbreichweite von Weiß: Wird in Weiß ein wenig einer anderen Farbe eingemischt, verliert es seinen Farbcharakter. Keine andere Farbe besitzt eine derart geringe Farbreichweite, keine andere Farbe beschmutzt sich derart schnell.

Weiß ist das technisch Reine und das Coole. Die Sucht, angesichts der ökologischen Krise alles sauber zu machen, ist verständlich – aber natürlich ist Weiß synthetisch. Das weiße Mehl, der weiße Zucker und das berüchtigte Weißbrot gehören nicht gerade zu den gesunden Lebensmitteln. Die gereinigten Drogen sind diejenigen, die hochgradig süchtig machen wie Heroin und Kokain, das bezeichnenderweise als Schnee bezeichnet wird. Der Trip wird dann white horses genannt, die Entzugserscheinungen white turkey.
Weißes Papier gefährdet unsere Flüsse und die großen Weißmacher, die Waschmittel erst recht. Aber wir haben eine weiße Weste, denn Herr und Frau Saubermann bemühen sich wacker um Reinheit.

Psychologie von Weiß
Reinigung
Weiß symbolisiert häufig einen Neuanfang. Man reinigt sich von der Vergangenheit. Dieser Reinigungsdrang erzeugt eine Weißbesessenheit – die Weißwäscher, über die sich Bert Brecht in „Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher“ lustig machte. Die Waschmittelwerbung nimmt dagegen das weißeste Weiß bis zur Lächerlichkeit ernst. Die gute Hausfrau ist rein, fürchterlich steril, und es verwundert nicht, dass sie keiner begehrt und sie sich in ihrer Frustration noch extremer der Reinheit zuwendet. So viel Reinheit hält keiner aus. Zu makellos weiß ist unmenschlich und unnatürlich, da bleibt kein Platz für die Lust.

Kalter Intellekt
Weiß wurde von Aubrey Beardsley im Jugendstil und Louis Meyer geliebt. Letzterer eröffnete seine Schwarz-Weiss-Gallerie 1897. Es war die Obzession der Viktorianer alles weiß und rein zu machen, aber auch der Ausdruck ihres distanzierten kalten Intellekts. Freilich drückt Weiß Klarheit aus, aber eine beängstigend unmenschliche Klarheit, eine Abstraktion und keineswegs das blühende Leben. Das Leben ist bunt, der Tod ist weiß wie die gebleichten Knochen.

Vergeistigung
Das weiße Einhorn, ein altes Symbol des männlichen Geistes, wird durch die weiß dargestellte Jungfrau angelockt, in deren Schoß es sein Horn legt. Dieses Einlassen auf das Jungfräuliche wird dem männlichen Geist zum Verhängnis. Das Einhorn wird getötet – meist um seines Hornes willen, dem man magische Stärke zusprach.
Weiße Vögel stehen für Vergeistigung, wie die weiße Taube, die ursprünglich Sophia, die griechische Göttin der Weisheit, symbolisierte.
Um den Geistcharakter der Farbe Weiß weiß die deutsche Sprache, in der das Wort „Weisheit“ etymologisch auf den Farbbegriff „weiß“ zurückgeht.

Weiß und Sex
Alles wird fürchterlich hygienisch. Nach Freud leben wir in einer hochgradig analfixierten Gesellschaft, die nichts mehr als den Schmutz bekämpft. Schmutzig ist das Natürliche, der Sex, die Körperausscheidungen. Ich erinnere an das erfrischende Interview mit Madonna, in dem sie gefragt wird, ob Sex schmutzig sei. Ihre geniale Antwort: „Nur wenn man sich nicht wäscht!“ Woody Allen übernahm dieses Bonmot.
Der japanische Modedesigner Issey Miyake ist einer der ersten, die Weiß als Modefarbe propagieren. 1999 kreiert er den aufsehenerregenden Ärzte-Look und argumentiert: Weiß ist männliche Autorität. Schon Freud erwähnte die sexy sexlosen Ärzte, welche die einzigen in unserer Gesellschaft sind, die andere sich ausziehen lassen dürfen, die aber im Stil der Zeit völlig clean bleiben. Wie in der Peep-Show und beim Table Dance lautet die Devise: betrachten, aber die Objekte des Begehrens nicht berühren.
70% der deutschen Bevölkerung empfinden Weiß als die perfekte Farbe für Dessous (immerhin tragen über 60% der Frauen zwischen 16-29 erotische Unterwäsche), denn Weiß zieht die Aufmerksamkeit in den Bann. Es zieht den Blick auf die Stellen des Begehrens. Weiß ist das engelhafte, unschuldig Reine, das man verführt und somit von der Reinheit befreit.
Die weißen Brüste wurden im Hoch-Mittelalter an dem Liebeshöfen Aquitaniens besungen, wo die Sexualität kultiviert werden sollte und zur gleichen Zeit galt der weiße Samen als der gute und fruchtbare Samen, der starke und gesunde Kinder zeugt. Die weiße Haut galt bis weit in die Neuzeit hinein als die reine Haut, die erotisiert wurde. Sie war stets verhüllt und gab sich nur den Blicken der Auserwählten preis. Das hat sich freilich im 20. Jahrhundert geändert, als im dialektischen Prozess gerade die dunkle Haut erotisiert wurde. Das Wilde wurde verständlicherweise dem Keuschen vorgezogen. Heutzutage ändert sich die Einstellung zur weißen Haut wieder. Die neue Prüderie, die aus den USA Europa heimsucht, wie die Ozonlöcher lassen die weiße Haut wieder zum Objekt der Begierde werde.

Farbe des Todes
Weiß ist die Farbe des Todes, der Abstraktion und der Erstarrung. In Melvills Bestseller „Mobby Dick“ wird die Farbe Weiß betont und ihr ein lesenswertes Kapitel gewidmet.
Der Symbolwert von Weiß als Farbe des Todes ist vom analogen Denken her naheliegend, denn weiß ist das Gerippe und die gebleichten Knochen. Weiß ist der Schnee im Winter, wenn alles abgestorben ist.
Im Aberglauben und der Magie sind es die weißen Tiere und weiße Blütenblätter, die den Tod ankündigen. Weiße Blütenblätter bei Blumen im Garten sollen gemäß des Volksglaubens den Tod eines nahen Verwandten ankündigen.

männliches Weiß
Dass Weiß in unserem Kulturbereich positiv gesehen und Schwarz dämonisiert wird, hat historische Ursachen. Ursprünglich (im Matriarchat?) war Schwarz die positive Farbe, als Farbe des Unbewussten, das stets weiblich gedacht wurde. Aus dem Dunkel wächst alles Leben. In Ländern der Ursprünge unserer Kultur – Zweistromland und Ägypten – war es die brennende Sonne, die den Tod brachte. Der schwarze Schlamm der Flüsse dagegen gab Fruchtbarkeit. In diesen Kulturen wurde das Göttliche in der Erde, im Körper gesehen. Im Patriarchat, das mit den Lichtmysterien aufkam, suchte man das Göttliche im Himmel und fand es in der Sonne. Es ging um die Überwindung des Körpers und um Vergeistigung. Man blickte nach oben, die Welt verlagerte sich in den Kopf. Damit wurde Weiß positiv und Schwarz negativ bewertet, worin sich eine Körperfeindlichkeit ausdrückte, die bis heute die Nachfolgemythologien dieser Lichtmysterien wie das Christentum prägt, obwohl in solch einer strengen patriarchalischen Ideologie wie dem Christentum sich auch das positive Schwarze hielt in den wundertätigen schwarzen Madonnen. Als man sie im späten Mittelalter weißte, verloren sie ihre Wunderkraft, die Pilger blieben aus und angesichts des ökonomischen Verlustes wurden sie schnell wieder schwarz lackiert – worauf sich die Wundertätigkeit, die Pilger und das Geld wieder einstellte.
Autoritäten tragen gerne Weiß wie Gurus, Ärzte, Päpste und die Macht ist den USA an das Weiße Haus gebunden.

Farbe der Aggression
Weiß ist eine aggressive Farbe, die ins Auge sticht. Das liegt physiologisch am Rhodopsin-Abbau in den lichtsensiblen Zellen der Augen.
In seiner Farbgestik überstrahlt Weiß alles und lässt es größer erscheinen. Ein weißer Gegenstand wird 1/5 mal größer wahrgenommen als ein dunkler. Weiß wirkt übergriffig.
Die aggressive Seite von Weiß drückt sich auch in den Anzügen im Kampfsport aus.

weibliches Weiß
Es gibt auch ein weibliches Weiß, wenn jedoch ursprünglich die weibliche Farbe Schwarz ist. Dennoch im Hexenzauber ist Weiß wichtig. Die nährende Milch aus den weißen Brüsten prägt die weibliche Seite von Weiß.
Juno, weiße Tara, die Sibyllen, das sind die weißen Frauen und im Christentum ist es Maria, die mit der weißen Lilie dargestellt wurde, und das Schneewittchen. Dies Anima-Projektionen, die sehr intelligent von dem mit Archetypen arbeitenden deutschen Film „Rossini“ ironisiert werden.
In Japan ist Weiß die weibliche Farbe wie in unserem Kulturbereich sie die Farbe der Jungfrauen ist, weswegen ganz in weiß geheiratet wird.
Weiß ist ferner die Farbe, sich zu ergeben und sich hinzugeben. Das Jungfräuliche ergibt sich, um erwachsen zu werden und die jungfräuliche Naivität hinter sich zu lassen.

Farbe des Schutzes
Weiß schützt gegen das Wilde, das stets schwarz gedacht wird. Da Ideologien wie das Christentum mit dem Wilden haderten, wurde Weiß dem Schwarzen vorgezogen. Allerdings findet man solche Tendenzen noch in der Magie, die besagt, dass sich auf ein weißes Tuch zu stellen, unangreifbar macht, und die das Blut weißer Tiere als zauberkräftig ansieht.
Weiß verweist auf Sauberkeit und Hygiene, die vor Seuchen schützen, weswegen in Seuchengebieten in Indien Umzüge mit weißen Fahnen veranstaltet werden. Und ursprünglich waren alle Pillen und Tabletten weiß.

Historischer Abschluss
Als im Mittelalter die Städte und somit das Bürgertum aufkam, waren die bunten Farben bereits durch den Adel besetzt. Er richtete sich nach der Heraldik. Das Volk trug ungefärbte Stoffe und zeigte sich in schmutzigen Naturfarben. Für das aufkommende Bürgertum blieb im Farbcode nur Schwarz und Weiß übrig, Farben, die seit dieser Zeit zumindest das mittlere Bürgertum kennzeichneten.

Rot

Rot

(bilingual blogpost about RED, zweisprachiger Blogartikel zu ROT > click here)

Rot ist eine Farbe zwischen
Liebe und Hass
Sex und Gefahr
Elitärem und Kommunismus

Rot ist die Farbe der Liebe.
Rot ist die Farbe, die uns an der Ampel gebietet, stehen zu bleiben.

Welch ein Widerspruch! Auf der einen Seite fleht Rot: „komm zu mir!“ auf der anderen Seite sagt es: „Stop!“

Rot lässt an Krieg und Blut denken.

Rot ist eine aufregende Farbe, nach der Kinder greifen, die anzeigt, dass etwas wichtig ist und wir alle kennen den gefürchteten Rotstift. Mit dieser Farbe beginnt und endet der Tag. Abendrot und Morgenrot, mit denen Goethe in seiner Farbenlehre Rot als Naturphänomen erklärt, stehen beide an der Grenze zur Nacht. Nach der dunklen Nacht, die alle Farben auslöscht, kündigt sich das Licht mit Rot an. Am Übergang des Tages zum Dunkel der Nacht steht wieder das Rot.

Warum scheint es eine männliche Angelegenheit zu sein, mit Rot auf Kriegsfuß zu stehen? Die Rot-Grün-Blindheit als häufigste Farbenblindheit kommt bei Frauen nicht vor.

Die Einstellung zur Farbe und besonders zu Rot ist in verschiedenen Kulturen unterschiedlich. Den nördlichen Germanen schien die Farbe nicht so wichtig gewesen zu sein. Germanische Sprachen weisen wenig Vokabeln zum Unterscheiden von Farben auf. Im Vergleich dazu gibt es im Südpazifik schon allein eine Fülle von Wörtern für Rottöne.

Für mich ist Rot eine schwierige Farbe. Ich besitze keine rote Kleidung und habe nie ein rotes Auto gefahren. Zu auffällig, zu extrem, dachte ich. Rot kann eine Frau tragen, aber doch kein Mann! Als unruhiger Geist werde ich von Rot abgeschreckt. Rot macht mich noch unruhiger und aufgeregter – man könnte allerdings auch sagen, Rot bringt Leben in den grauen Alltag. Mich störte Rot. Es regte mich zu sehr an und stellte mich in die Mitte des Geschehens.

In einer Art Hassliebe begann ich mich mit Rot zu beschäftigen. Als Student besuchte ich ein Seminar über Farbpsychologie. Dort wurden Experimente zur Wirkung der Farben durchgeführt. Können einen Farben wirklich so erregen, wie der Volksmund es behauptet, sollte untersucht werden. In meiner Arbeitsgruppe unterlegte man einen schwierigen Text mit roter, grüner und weißer Farbe. Es zeigte sich, dass ein auf Rot gedruckter Text schwerer zu erfassen war, als wenn der gleiche Text vor Grün oder, wie es normal ist, vor Weiß erschien.

Die Erklärung für dieses Ergebnis liegt auf der Hand: Die Farbe Rot erregt so sehr das menschliche Nervensystem und zieht derart alle psychischen Energien auf sich, dass zu wenig freie Energien übrig bleiben, um den Inhalt des Textes zu erfassen. So kann die wissenschaftliche Psychologie wie so oft bestätigen, was wir bereits alle wissen: Rot regt an.

Was wirkt denn nun an der Farbe?

Es wirkt die Farbschwingung, die auch dann unzweifelhaft vorhanden ist, wenn die Farbe nicht gesehen wird. Sicherlich beeinflusst diese Farbschwingung einen mehr, wenn sie auf das offene Auge trifft, aber der menschliche Organismus scheint Farbe nicht allein mit dem Auge wahrzunehmen. Erstaunlich ist, dass das menschliche Auge nur zwanzig Prozent der Farbschwingungen wahrnimmt, die restlichen achtzig Prozent verwendet der menschliche Organismus sozusagen als Nervennahrung. Licht und somit Farben scheinen den Körper zu durchdringen. Man stellt sich das heute nach dem Prinzip der Schwingungsresonanz vor. Eine Farbe erzeugt eine Schwingung, die im Körper widerhallt. Da dem Körper diese Schwingung nicht fremd ist, kann er sich auf sie einschwingen. Das Innere des Körpers antwortet auf die äußere Farbschwingung. So wirkt die Farbe über ihre Schwingung, ohne dass man sie unbedingt sehen muss.

Stellen Sie sich vor, Sie würden der Farbe Rot zum ersten Mal begegnen. Sie wären sicher aufgeregt, denn Rot gilt in den meisten seiner Töne als aktivierende Farbe, weswegen die Schlagzeilen in den Boulevard-Zeitungen oft rot gedruckt werden (bei der BILD-Zeitung ist sogar der Zeitungsnamen im roten Feld gesetzt). Auch Kriegsnachrichten in den Zeitungen sind häufig rot gesetzt. Rot wirkt bis in die Seele wie die rote Blüte auf den Instinkt des Insekts.

Als Höhepunkt der Farben (Goethe) wirkt Rot anregend, erwärmend und belebend. Es wirkt je erregender, desto näher sein Farbton dem Scharlachrot angenähert ist.

Und über rote Dessous und die roten Laternen von Pauli will ich hier gar nicht erst schreiben.

Sprach ich eben vom belebenden bis erregenden Rot, so gibt es auch die Verbindung von Rot und Tod: Artemidor von Daldis, der eines der meistgelesenen Traumbücher vor Sigmund Freud schrieb, verbindet in seinen Traumdeutungen Rot mit dem Tod und dem Bösen. Träume böser Menschen und diejenigen mit fatalen Voraussagen wurden in seinen Texten ursprünglich rot geschrieben.