Rot
(bilingual blogpost about RED, zweisprachiger Blogartikel zu ROT > click here)
Rot ist eine Farbe zwischen
Liebe und Hass
Sex und Gefahr
Elitärem und Kommunismus
Rot ist die Farbe der Liebe.
Rot ist die Farbe, die uns an der Ampel gebietet, stehen zu bleiben.
Welch ein Widerspruch! Auf der einen Seite fleht Rot: „komm zu mir!“ auf der anderen Seite sagt es: „Stop!“
Rot lässt an Krieg und Blut denken.
Rot ist eine aufregende Farbe, nach der Kinder greifen, die anzeigt, dass etwas wichtig ist und wir alle kennen den gefürchteten Rotstift. Mit dieser Farbe beginnt und endet der Tag. Abendrot und Morgenrot, mit denen Goethe in seiner Farbenlehre Rot als Naturphänomen erklärt, stehen beide an der Grenze zur Nacht. Nach der dunklen Nacht, die alle Farben auslöscht, kündigt sich das Licht mit Rot an. Am Übergang des Tages zum Dunkel der Nacht steht wieder das Rot.
Warum scheint es eine männliche Angelegenheit zu sein, mit Rot auf Kriegsfuß zu stehen? Die Rot-Grün-Blindheit als häufigste Farbenblindheit kommt bei Frauen nicht vor.
Die Einstellung zur Farbe und besonders zu Rot ist in verschiedenen Kulturen unterschiedlich. Den nördlichen Germanen schien die Farbe nicht so wichtig gewesen zu sein. Germanische Sprachen weisen wenig Vokabeln zum Unterscheiden von Farben auf. Im Vergleich dazu gibt es im Südpazifik schon allein eine Fülle von Wörtern für Rottöne.
Für mich ist Rot eine schwierige Farbe. Ich besitze keine rote Kleidung und habe nie ein rotes Auto gefahren. Zu auffällig, zu extrem, dachte ich. Rot kann eine Frau tragen, aber doch kein Mann! Als unruhiger Geist werde ich von Rot abgeschreckt. Rot macht mich noch unruhiger und aufgeregter – man könnte allerdings auch sagen, Rot bringt Leben in den grauen Alltag. Mich störte Rot. Es regte mich zu sehr an und stellte mich in die Mitte des Geschehens.
In einer Art Hassliebe begann ich mich mit Rot zu beschäftigen. Als Student besuchte ich ein Seminar über Farbpsychologie. Dort wurden Experimente zur Wirkung der Farben durchgeführt. Können einen Farben wirklich so erregen, wie der Volksmund es behauptet, sollte untersucht werden. In meiner Arbeitsgruppe unterlegte man einen schwierigen Text mit roter, grüner und weißer Farbe. Es zeigte sich, dass ein auf Rot gedruckter Text schwerer zu erfassen war, als wenn der gleiche Text vor Grün oder, wie es normal ist, vor Weiß erschien.
Die Erklärung für dieses Ergebnis liegt auf der Hand: Die Farbe Rot erregt so sehr das menschliche Nervensystem und zieht derart alle psychischen Energien auf sich, dass zu wenig freie Energien übrig bleiben, um den Inhalt des Textes zu erfassen. So kann die wissenschaftliche Psychologie wie so oft bestätigen, was wir bereits alle wissen: Rot regt an.
Was wirkt denn nun an der Farbe?
Es wirkt die Farbschwingung, die auch dann unzweifelhaft vorhanden ist, wenn die Farbe nicht gesehen wird. Sicherlich beeinflusst diese Farbschwingung einen mehr, wenn sie auf das offene Auge trifft, aber der menschliche Organismus scheint Farbe nicht allein mit dem Auge wahrzunehmen. Erstaunlich ist, dass das menschliche Auge nur zwanzig Prozent der Farbschwingungen wahrnimmt, die restlichen achtzig Prozent verwendet der menschliche Organismus sozusagen als Nervennahrung. Licht und somit Farben scheinen den Körper zu durchdringen. Man stellt sich das heute nach dem Prinzip der Schwingungsresonanz vor. Eine Farbe erzeugt eine Schwingung, die im Körper widerhallt. Da dem Körper diese Schwingung nicht fremd ist, kann er sich auf sie einschwingen. Das Innere des Körpers antwortet auf die äußere Farbschwingung. So wirkt die Farbe über ihre Schwingung, ohne dass man sie unbedingt sehen muss.
Stellen Sie sich vor, Sie würden der Farbe Rot zum ersten Mal begegnen. Sie wären sicher aufgeregt, denn Rot gilt in den meisten seiner Töne als aktivierende Farbe, weswegen die Schlagzeilen in den Boulevard-Zeitungen oft rot gedruckt werden (bei der BILD-Zeitung ist sogar der Zeitungsnamen im roten Feld gesetzt). Auch Kriegsnachrichten in den Zeitungen sind häufig rot gesetzt. Rot wirkt bis in die Seele wie die rote Blüte auf den Instinkt des Insekts.
Als Höhepunkt der Farben (Goethe) wirkt Rot anregend, erwärmend und belebend. Es wirkt je erregender, desto näher sein Farbton dem Scharlachrot angenähert ist.
Und über rote Dessous und die roten Laternen von Pauli will ich hier gar nicht erst schreiben.
Sprach ich eben vom belebenden bis erregenden Rot, so gibt es auch die Verbindung von Rot und Tod: Artemidor von Daldis, der eines der meistgelesenen Traumbücher vor Sigmund Freud schrieb, verbindet in seinen Traumdeutungen Rot mit dem Tod und dem Bösen. Träume böser Menschen und diejenigen mit fatalen Voraussagen wurden in seinen Texten ursprünglich rot geschrieben.