Schwarz

Das jenseitige Schwarz
(bilingual blogpost about WHITE, BLACK, GREY, zweisprachiger Blogartikel zu SCHWARZ, WEISS, GRAU > click here)

Von weiblicher Finsternis und männlichem Licht

Ist Schwarz überhaupt eine Farbe?
Für van Gogh war es eine Farbe wie jede andere. Die Impressionisten dagegen lehnten Schwarz als Farbe ab, da es Abwesenheit von Licht sei und in der Natur in reiner Form nicht vorkomme.
Schwarz gehört nicht zu den Lieblingsfarben der Mitteleuropäer. Gerade sieben Prozent bezeichnen es als ihre Lieblingsfarbe. Landläufig wird diese Farbe also abgelehnt. Das war nicht immer so. Erst mit dem Aufkommen der Lichtreligionen – besonders mit der Zarathustras in Persien – wird das Schwarze dämonisiert. Warum? Weil sich mit den Lichtreligionen das Patriarchat durchsetzt, das seinen Gott oben in der Sonne fand. Das Männliche schaut himmelwärts. Sein Ideal ist der Geist. Es ist typisch für patriarchale Religionen, dass das männliche Licht phallisch und erkennend zugleich in das Schwarz der weiblichen Finsternis eindringt. In diesem Denken wird Erkenntnis als Helligkeit erlebt. Die vom weiblichen Geist geprägten Religionen schauten stets nach unten auf die Erde. In den Ländern der Anfänge unserer Kultur wie Mesopotamien und Ägypten brachte die Erde als schwarzer Flussschlamm Fruchtbarkeit und Leben. Alles Leben wächst in der Dunkelheit heran. Deswegen war Schwarz die Farbe des Weiblichen und des neuen Lebens.
Schwarz ist auch die Farbe des Chaos (da man in der Finsternis nichts unterscheiden kann – dort herrscht tohuwabohu, wie in der Bibel das wüste Chaos der Finsternis bezeichnet wird), von dem das I Ging sagt, dass es die Mutter aller Dinge ist.
Dem Weiblichen ist die schwarze Nacht zugeordnet, dem Männlichen der Tag. Damit wird das Schwarze zugleich mit dem passiven Hingebungsvollen assoziiert. Das Schwarze ist aber auch das verschlingende Weibliche, das Unbewusste und das Geheimnis, vor dem das Männliche sich ängstigt und es daher dämonisiert. Schwarz ist die weibliche Anderswelt, in der Männliches sich fürchtet, zu versinken und sich aufzulösen. Es ist das Unbestimmte und Sanfte, das dem aggressiven Licht gleißend entgegensteht. Es ist das bergende Dunkel.
In weiblicher Geste umfasst Schwarz alles. In ihm ist die Ganzheit aller Flächenfarben präsent. Bei der subtraktiven Mischung mischen sich alle Farben zu Schwarz (da allerdings die Pigmente meist nicht eine absolute Farbreinheit besitzen, mischen sie sich in der Realität zu einem Braunton).

Der schwarze Tod

Als William Turners Freund und Künstlerkollege Sir David Wilkie 1841 starb, malte Turner eines seiner berühmtesten Bilder „Frieden, Bestattung zur See.“ In diesem Bild hätte Turner, wie er es selbst bekannte, gern ein Schwarz verwandt, das noch schwärzer ist als das schwärzeste Schwarz. Mit diesem Schwarz wollte Turner seine Trauer ausdrücken.
Schwarz ist die Farbe des Todes: Die Trauerkleidung ist schwarz wie tote Zähne und verfaultes Fleisch der Pesttoten. Rudolf Steiner sieht im Schwarz das Lebensfremde. Schwarz ist die Nacht, die Zeit, in der das Licht gestorben ist. Es ist der Urzustand, die Zeit vor dem Licht.
Zudem wird der Tod mit geschlossenen Augen verbunden. So verwundert es nicht, dass bei den Babyloniern, Phöniziern und Griechen die Unterwelt schwarz oder dunkelgrau gedacht wurde. Doch dieser Raum besitzt einen Funken Licht, denn dort leben die Schatten. Das Schwarz wird erst lebendig, wenn es vom Licht berührt wird. Schwarz wirkt am besten im Kontrast zum Weiß – was die Popart ausgiebig nutzte.
Die schwarze Szene liebt es finster: Gruftis, SMler, Anarchisten, Leder- und Latexfetischisten drücken mit Schwarz Ihren Flirt mit dem Tod aus. Auch die SS und spanischen Faschisten trugen Schwarz – allerdings ist es ebenfalls die Symbolfarbe der Anarchisten. Schwarz wird als Farbe der Macht und des Todes präsentiert. Mit Macht und Tod sind wir bei der Gottesvorstellung: Gott als autoritärer Herrscher über Leben und Tod.

Weltanschauungen

Schwarz ist eine abstrakte Farbe wie alle unbunten Farben. Für Piet Mondrian und die niederländische Künstlergruppe de Stijl ist Schwarz wie Weiß: Ausdruck des leeren Raums. Jasper Johns und Roy Lichtenstein benutzen Schwarz als Grenze. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass es sich als Farbe für abstrakte Ideen und Religionen anbietet – zumal die Religion dem Geheimnis und Unbewussten verbunden ist. Schwarz tritt uns im weltanschaulichen Bereich als heilige und somit autoritäre und absolute Farbe entgegen. Sie ist die archetypische Farbe für das Geheimnis, mit dem die mystischen Bewegungen innerhalb der Religionen ringen.

Ägyptisch
Mnevis, der von den Ägyptern in Heliopolis verehrte schwarze Stier, galt als die Verkörperung des Sonnengottes Re. Zunächst fällt auf, dass Schwarz in diesem Fall der Sonne verbunden ist. Die Sonne ist schwarz als Geheimnis allen Lebens, als Ursprung unseres Kosmos. Hier wird die Kraft der Ausstrahlung der Farbe Schwarz betont, die uns heute bei der Betrachtung der Black Box der modernen Physik wieder begegnet (Emissionstheorie Planks, 1900)

Islamisch/sufisch
„Stirb bevor Du stirbst“ heißt es bei den Sufis. Man wird aufgefordert, sein Ego sterben zu lassen und der Welt eine Absage zu erteilen. Diese Haltung drückt sich in der schwarzen Farbe der Gewänder islamischer Geistlicher und Mystiker aus. Sie sagt: „Die Welt ist tot für mich.“ Die islamischen Geistlichen und Mystiker tragen in Schwarz ihre Abgewandtheit von der Welt zur Schau. Allerdings gibt es noch eine tiefere Ebene dieser Symbolik: Als Erfassung der reinen Essenz – d.h. die selige Auflösung in Gott – gilt das schwarze Licht. Die Erfahrung dieses Lichts gilt als Ziel eines gottgefälligen Lebens und der mystischen Suche.

Christlich/jüdisch
Schwarz ist die Farbe reformierter Geistlichkeit. Luther trug einen schwarzen Talar, womit die auf das Wort beruhende Intellektualität ausgedrückt werden sollte. Schwarz ist Ordensfarbe und Lieblingsfarbe des Outfits der Kirchgänger. Bereits die orthodoxen Juden und Rabbiner pflegen sich in schwarzer Kleidung zu zeigen.
Im patriarchalisch geprägten Christentum ist Schwarz eine Farbe des Weiblichen. Maria wurde grundsätzlich am Samstag, dem Tag des schwarzen Saturn speziell verehrt. Maria Magdalena wurde als die schwarze Geliebte Jesu bezeichnet. Ferner spielen in der katholischen Kirche die schwarzen, wundertätigen Madonnen wie die von Einsiedeln, Tongeren und Tschenstochau eine wesentliche Rolle. 1277 wurde vom Papst angeordnet, diese weiß zu streichen. Begründung: Das Schwarz käme durch den Ruß der Kerzen zustande und würde die Marienbilder entehren. Die Wunder hörten auf. Die weiße Farbe wurde entfernt oder die Madonnen wieder schwarz umgestrichen, die Kirchenkassen wurden von den Pilgern wieder gefüllt.
Die schwarzen Madonnen gehen auf heidnische Vorbilder wie Isis, Kybele und Diana zurück. Die schwarze Isis war besonders verbreitet und einflussreich. Sie bot das Modell für die Madonna mit Kind.
Schwarze Madonnen finden sich in unseren Breiten hauptsächlich im Gebiet der Maas, ein Gebiet, von dem aus die Merowinger herrschten, die Anhänger der Isis waren.
Für die christliche Kirche war Schwarz jedoch auch die Symbolfarbe des Bösen und wurde somit zur klassischen Farbe des Teufels. Die Dämonisierung der Farbe Schwarz verstärkte sich mit der Verbreitung des Lilith-Kults durch spanische Kabbalisten im 13. Jh. Lilith, die erste Frau, ist die schwarze Göttin der Kabbalisten – sie ist die Frau, die es ablehnt, sich dem Mann zu unterwerfen.

Im christlich beeinflussten Kult des Vodoo spielt wie in allen zaubrisch-mystischen Kulten die Farbe Schwarz eine wichtige Rolle. Normalerweise trägt die Vodoo-Priesterin in Westafrika Weiß, werden jedoch besonders mächtige Energien angerufen, greift sie zum schwarzen Gewandt. Sie wird so zum Geheimnis und zur mächtigen Lenkerin der Energien.

Hinduistisch
Die Hindus verehren eine wilde weibliche Gottheit, die stets mit schwarzem Körper dargestellt wird. Es ist Kali, eine Verkörperung des verschlingenden und gebärenden Weiblichen. Sie ist die fruchtbare und furchtbare Mutter zugleich. Ihre tödliche Seite wird mit der Farbe Schwarz genauso verdeutlicht, wie ihre Weiblichkeit. Aber Kali ist nicht nur die Schwarze, sie wird stets mit roten Accessoires dargestellt, die ihre Lebenskraft betonen. Diese Verbindung von Schwarz mit Rot finden wir häufig als Symbolfarbe des Dämonischen. Sie ist konventionell bei Teufelsbildern und Bildern von fragwürdigen Frauen. In feministischen Kreisen wird diese Farbkombination als Farben der großen Göttin auf Voll- und Neumond bezogen.

Buddhistisch
Buddhistische Thankas (Rollbilder) mit schwarzem Hintergrund gehören zu den mystisch-esoterischen Meditationsbildern. Sie sind für den fortgeschrittenen Meditierenden geeignet. Im Buddhismus symbolisiert Schwarz die Farbe des Hasses, der durch die Weisheit in „die Vollkommenheit der letzten Wirklichkeit“ verwandelt wird. Schwarz kündet vom Bevorstehen des Absoluten, es ist die Schwelle der Erfahrbarkeit und des Todes. Es geht bei der Meditation auf schwarze Thankas um die Überwindung alles Bösen.
Yamantaka, die archetypische Gottheit der Gelugpas, der Überwinder des Todes, wird schwarz dargestellt. Er repräsentiert sowohl höchste Weisheit, als auch den Triumph über das Leiden. Er haftet nicht mehr an. Er gilt als machtvoller Beschützer. Die Beschützer Mahakala und Pälden Lamo (die weibliche Schutzgottheit Lhasas und des Dalai Lama) werden ebenfalls schwarz dargestellt, denn Schwarz steht für die letzte Realität, die Leerheit und somit für die Meditation.